Tag 8: Die r-Laute

Wie spricht man eigentlich das r in den skandinavischen Sprachen aus? Die gute Nachricht zuerst: Man spricht es aus. Es gibt – anders als zum Beispiel beim h, beim l oder beim g – fast keine Sprachen und Wörter, in denen der Buchstabe stumm bleibt. Die schlechte Nachricht: Es gibt verschiedene r-Laute, und die Aussprache hängt davon ab, um welche Sprache es geht, und manchmal auch davon, aus welcher Region jemand kommt und an welcher Stelle im Wort das r steht.

Ein Zäpfchen-r (in Fachsprache: ein stimmhafter uvularer Frikativ) in typischer phonetischer Darstellung: Links sind die Lippen, rechts der Rachen, rechts unten der Kehlkopf.

Das Einfachste zuerst: Im Dänischen funktioniert das r fast genau so wie im Deutschen, jedenfalls wenn man mit Deutsch die heutige norddeutsche Umgangssprache meint. Das bedeutet:

  • Am Wortanfang, vor betonten Vokalen und nach Konsonanten wird das r als Zäpfchen-r gesprochen (das Zäpfchen ist der hinterste Ausläufer des Gaumens). Nach dem Internationalen Phonetischen Alphabet schreibt man [ʁ]. So klingt das r zum Beispiel in rød (rot), beregne (berechnen) und aldrig (nie).
  • Überall anders wird das r als ein Vokal ausgesprochen. In den meisten Fällen ist das ein sehr kurzes a (in IPA: [ɐ]) gesprochen. So entstehen Diphthonge wie in her (hier), ord (Wort) oder ur (Uhr). In anderen Fällen verlängert das geschriebene r gewissermaßen den Vokal davor, zum Beispiel in kort (kurz).

Im Norwegischen und Schwedischen wird das r überwiegend mit der Zungenspitze gesprochen (in IPA: [r]), in etwa wie im Italienischen oder Polnischen. Dabei verschmilzt das r aber sozusagen mit manchen folgenden Konsonanten, nämlich d, t, s, n und l, und es entstehen sogenannte supradentale Laute (in IPA: [ɖ ʈ ʂ ɳ ɭ]), bei denen die Zungenspitze etwas weiter, bis an den Anfang des Gaumens, zurückgezogen wird. Das r ist dann nicht mehr als eigenständiger Laut zu hören. Das passiert beispielsweise bei bort (weg), rst/rst (erst) oder barn (Kind).

In Südschweden und in Süd- und Westnorwegen spricht man dagegen das r wie im Deutschen und Dänischen mit dem Zäpfchen. Dort gibt es auch keine Supradentale. Die gibt es wiederum auch nicht im Finnlandschwedischen, dort spricht man jedes r auch als r. Außerdem gibt es noch viele dialektale Besonderheiten. In manchen Gegenden spricht man zum Beispiel sowohl Zäpfchen- als auch Zungenspitzen-r, abhängig von der Position im Wort.

Das Isländische hat nur Zungenspitzen-r, aber dafür gibt es davon zwei Varianten, nämlich eine stimmhafte (wie im Deutschen) und eine stimmlose, die Lerner:innen am Anfang häufig schwerfällt (in IPA: [r̥]). Stimmhaftes r finden wir in Wörtern wie Reykjavík, stimmloses zum Beispiel in hreinn (sauber).

Im Färöischen schließlich klingt das r wie im (englischen) Englisch, zum Beispiel in ríða (reiten). Es gibt auch hier eine stimmlose Variante, die fast wie sch klingt, beispielsweise in maður – und Supradentale, nach demselben Prinzip wie im Norwegischen und Schwedischen.

Tipp: Wer lieber Beispiele hören statt über sie lesen möchte: Aussprachebeispiele in vielen Sprachen der Welt findet man auf Forvo. Die Aussprache der meisten dänischen und schwedischen Wörter ist auch in den Onlinestandardwörterbüchern mit Hörbeispielen angegeben (Den Danske Ordbog und Svensk ordbok).