Personalpronomina sind ein sehr praktisches Werkzeug: Anstatt immer wieder dieselben Substantive zu wiederholen, können wir einfach Wörter wie er oder sie verwenden, die diese Substantive dann sozusagen vertreten. (Deswegen heißt es auch Pronomen, wörtlich ’statt Substantiv‘.)
Typischerweise gibt es nicht nur ein Personalpronomen, sondern mehrere – oder, anders gesagt, es gibt viele Formen des Personalpronomens. Sie unterscheiden sich zum Beispiel nach der Person: Die 1. Person (ich) ist derjenige, der spricht, die 2. Person (du) ist der/die Angesprochene, die 3. Person (er, sie, es) ist alles andere. Etwas anderes, das man bei der Auswahl des richtigen Pronomens bedenken muss, ist beispielsweise die Anzahl: Spreche ich von einer Person oder Sache oder von mehreren?
In der 3. Person gibt es in vielen europäischen Sprachen mehrere verschiedene Optionen. Das Deutsche hat im Singular er, sie und es; das Englische hat he, she und it; das Französische hat il und elle. Wonach entscheidet man nun aber, welche Form man wählt? In den europäischen Sprachen gibt es im Prinzip zwei verschiedene Systeme.
- Entweder richtet sich die Form nach dem Genus (d. h. dem grammatischen Geschlecht) der Substantive, die vertreten werden sollen – das ist das Prinzip im Deutschen und im Franzöischen. Es heißt der Junge, also heißt es auch er; das passende Pronomen für die Tür ist sie; und das Netz kann man durch es vertreten.
- Oder die Form richtet sich nach dem sogenannten Sexus (d. h. dem Geschlecht in der außersprachlichen Welt), sofern es eines gibt – das ist das Prinzip im Englischen, wo es übrigens auch kein Genus gibt, das man hier nutzen könnte. Deswegen heißt es zwar the boy, the door und the web, aber das Pronomen zu boy ist he, während man statt door und web nur it verwendet kann.
Und die skandinavischen Sprachen? Die verhalten sich hier ganz unterschiedlich. Am einfachsten zu erklären sind das Isländische und das Färöische, denn hier verhält es sich genau wie im Deutschen: Jedes Substantiv hat ein Genus (es gibt Maskulinum, Femininum und Neutrum), und passend dazu wählt man im Isländischen entweder hann, hún oder það bzw. im Färöischen hann, hon oder tað. So funktioniert es auch im Nynorsk: han, ho oder det.
Im Dänischen und Schwedischen gibt es dagegen ein gemischtes System:
- Bei Personen und Dingen, die man sich als Personen vorstellt (z. B. Menschen, Haustiere, Trolle, Götter) wählt man das Pronomen nach dem Sexus. Es heißt also auf Dänisch drengen (der Junge) – han, aber pigen (das Mädchen) – hun; genauso auf Schwedisch: pojken (der Junge) – han, aber flickan (das Mädchen). Das hat nichts mit dem Genus zu tun; das ist in diesem Fall bei allen Beispielwörtern identisch.
- Für alles andere (z. B. Steine, Bäume, Schlachtvieh, Geräte, abstrakte Sachverhalte) entscheidet man dagegen nach dem Genus. Deswegen heißt es døren (die Tür, Utrum) – den, aber nettet (das Netz, Neutrum) – det; genauso auf Schwedisch: dörren – den, aber nätet – det. Hier gibt es für jedes Genus eine Form.
Im Bokmål ist es noch einmal komplizierter: Hier gilt im Prinzip dasselbe wie im Dänischen und Schwedischen, und man unterscheidet also zwischen Personen und Nichtpersonen und wählt dann entweder nach Sexus oder nach Genus. Davon gibt es aber drei: Maskulinum, Femininum und Neutrum. Bei den Pronomina stehen aber nur zwei Formen zur Auswahl. Den wird deshalb für maskuline und feminine Substantive verwendet, und es heißt bilen (das Auto, Maskulinum) – den und døra (die Tür, Femininum) – den, aber nettet (das Netz, Neutrum) – det.
(Übrigens ist die Unterscheidung zwischen Maskulinum und Femininum im Bokmål nicht obligatorisch. Døren kann man also genauso verwenden wie døra. In dem Fall ist das System dasselbe wie auf Dänisch und Schwedisch.)
Und, um die Komplexität vollkommen zu machen: Im Norwegischen und vor allem im Schwedischen gibt es ein relativ junges Pronomen, das man für Personen verwenden kann, wenn der Sexus unwichtig oder unklar ist. Man kann dann zum Beispiel auf Schwedisch schreiben: professorn – hen. Dass professorn ein Mensch ist, wird dadurch klar, aber das Geschlecht ist im Zusammenhang vielleicht unbekannt, uneindeutig oder unerheblich – da ist hen eine praktische Option.