Tag 6: Pfui Pharao!

Auf den ersten Blick lässt sich heute im fortschrittlichen und aufgeklärten Skandinavien kaum erahnen, wie religiös die Bevölkerung noch bis ins 20. Jahrhundert war und wie einflussreich die Kirche. Nicht nur gab (und gibt) es zahlreiche freikirchliche Bewegungen, darunter die schwedische Pfingstbewegung und die nordskandinavischen Læstadianer, und innerkirchliche Bewegungen wie die dänische Innere Mission, sondern es gibt auch keine Tradition der Trennung von Staat und Kirche: Fast alle nordischen Länder haben bis heute Staatskirchen (nur die Schwedische Kirche ist seit 2000 keine mehr). Mehr noch: Aus der Kirche auszutreten war lange unmöglich; in Schweden durfte man das noch bis 1951 nur tun, wenn man gleichzeitig einer anderen Religionsgemeinschaft beitrat.

Søren Kierkegaard hatte ein schwieriges Verhältnis zur Kirche. Aber ob er gewollt hätte, dass man mit seinem Vornamen flucht?

Kirche und Religion waren also früher fast allgegenwärtig. Da überrascht es nicht, dass sie auch die Sprachen stark beeinflusst haben. Zum Beispiel flucht man (zumindest traditionell) vor allem mit religiösen Wörtern, besonders gern mit solchen für Teufel und Hölle. Man hört also häufig zum Beispiel for helvete! (norwegisch: zur Hölle!), satans også! (dänisch etwa: Satan auch!) oder jävlar! (Teufel!).

Andererseits war Fluchen lange tabu, aus religiösen Gründen. Man stellte sich Teufel und Hölle als wirklich existent vor, und man fürchtete, ein Unglück heraufzubeschwören, wenn man ihren Namen in den Mund nahm. Dieses wortmagische Denken führte dazu, dass man Auswege suchte. Man fluchte also so gerade eben nicht und vermied die tabuisierten Wörter – aber man vermied sie nur knapp, denn woher hätte ein:e Gesprächspartner:in sonst wissen sollen, was man eigentlich sagen wollte?

Also bildeten sich Vermeidungsstrategien. Statt satans også sagte man also zum Beispiel auf Dänisch sørens også (von Søren, eigentlich ein ganz unschuldiger Vorname) oder pokkers også (ursprünglich: Pocken). Auf Schwedisch ersetzte man fy fan (pfui Teufel) unter anderem durch fy katten (pfui Katze), fy sjutton (pfui siebzehn) oder fy tusan (von tusen, also tausend).

Diese Strategien haben sich bis heute gehalten, auch wenn das religiöse Tabu längst keine Rolle spielt und man auch ansonsten das Fluchen nicht unbedingt vermeidet. Aber wenn man will, vielleicht ja auch nicht ganz im Ernst, kann man – gerade auf Schwedisch – ziemlich kreativ sein: Im Prinzip funktioniert alles, was ein paar lautliche Bedingungen einhält. Also gibt es neben den bekanntesten Vermeidungsformen wie fasen (für fan, Teufel), helsicke (für helvete, Hölle) oder jäklar (für jävlar, Teufel) auch seltenere Varianten wie farao (Pharao), fabian, fanken, faderullan, fagerlöv oder fanny.

Noch einfacher ist es, wenn auch der Kontext zur Bedeutung passt: Helsinki, was für ein Mistwetter. Ja, pfui Pharao, ganz schön kalt.