Räumliche Verhältnisse sind oft wichtig für die Kommunikation: Wo kommt jemand her, wo befindet sich etwas, wohin geht es als Nächstes? Deswegen gibt es in allen Sprachen Möglichkeiten, räumliche Angaben zu machen, und in vielen Sprachen gibt es Möglichkeiten, hier ziemlich fein zu differenzieren.
Die skandinavischen Sprachen sind da keine Ausnahme. Eine Besonderheit liegt allerdings darin, dass es in vielen Fällen ganz systematische und leicht durchschaubare Zusammenhänge zwischen Wörtern gibt, die Position, Ziel, Herkunft oder Richtung angeben. Ein Beispiel dafür geben die folgenden Wörter, die alle in der Bedeutung etwas mit ‚unten‘ zu tun haben:
Dänisch | Färöisch | Isländisch | Norwegisch | Schwedisch | |
‚unten‘ | nede | niðri | niðri | nede | nere |
‚hinunter/herunter‘ | ned | niður | niður | ned | ner |
‚von unten‘ | nedefra | niðrifrá | neðan frá | nedenfra | nerifrån |
‚abwärts‘ | nedad | niðureftir | niður eftir | nedover | neråt |
Dänisch | Färöisch | Isländisch | Norwegisch | Schwedisch | |
‚zu Hause‘ | hjemme | heima | heima | hjemme | hemma |
’nach Hause‘ | hjem | heim | heim | hjem | hem |
‚von zu Hause‘ | hjemmefra | heimanífrá | heiman | hjemmefra | hemifrån |
‚heimwärts‘ | hjemad | heimeftir | heimleiðis | hjemover | hemåt |
In allen skandinavischen Sprachen können solche Wörter also mit Endungen (bei der Angabe von Position, Herkunft und Richtung) oder ohne Endung (bei der Angabe des Ziels) gebildet werden. Wenn wir uns beispielsweise auf das Dänische und die fett markierten Endungen konzentrieren, dann lässt sich die Bedeutung vieler weiterer Wörter nach demselben Muster vorhersagen:
Position | Ziel | Herkunft | Richtung | |
‚oben‘ | oppe | op | oppefra | opad |
‚vorn‘ | fremme | frem | fremad | |
‚fern‘ | borte | bort | ||
‚in kurzer Entfernung‘ | henne | hen | ||
‚hinter einer Kurve‘ | omme | om | ||
‚innen‘ | inde | ind | indefra | indad |
‚außen‘ | ude | ud | udefra | udad |
Wie man sieht, bedeutet das nicht, dass alle vorstellbaren Formen auch tatsächlich im Wörterbuch stehen oder gar dass sie häufig sind. Manchmal gibt es auch Konkurrenz durch andere, nicht so regelmäßig gebildete Wörter, wie z. B. væk (weg, fort), das etwas weniger formell ist als bort. Aber die Regelmäßigkeit der Wortbildung macht es gerade auch leicht, veraltete oder seltene Wörter zu verstehen: Man braucht das unübliche Wort bortefra nicht gelernt zu haben, um zu verstehen, dass es ‚von weit weg‘ bedeutet.
Auf den Färöern gibt es übrigens eine Zusatzbedeutung der färöischen und dänischen Wörter für ‚unten‘: ‚Unten‘ ist Dänemark. Färinger, die nedefra wieder hjemad unterwegs sind oder umgekehrt hjemmefra eine Reise ned machen, befinden sich also gerade über oder auf dem Atlantik.