Tag 19: Sein und arbeiten

Sie kaufen ein.
Sie sind (woanders) und kaufen ein.

In den skandinavischen Sprachen gibt es manche Ausdrücke, die auf den ersten Blick widersinnig sind. Schwedische Beispiele wären det står i boken som du sitter och läser (das steht in dem Buch, das du gerade sitzt und liest), sluta och gnäll (hör auf und jammer) oder jag är och jobbar (ich bin und arbeite). Was diese Beispiele gemeinsamm haben, ist die Verbindung von zwei Verben mit und, bei der eine wörtliche Lesart nichts Sinnvolles ergibt. Wie kann man ein Buch sitzen? Was soll man nun tun, jammern oder damit aufhören? Und wie kann man lernen, ohne zu sein?

Die Lösung: Hier geht es gar nicht um zwei verschiedene Ereignisse, die mit und verbunden werden. Sondern eigentlich nur um das, was das zweite Verb angibt – und das erste Verb liefert zusätzliche Informationen über bestimmte Details, zum Beispiel Art und Weise oder Dauer des Ereignisses. Wer „sitzt und liest“, der mag zwar auch wirklich buchstäblich im Sitzen lesen, aber was vor allem ausgedrückt wird, ist das er längere Zeit mit dem Lesen beschäftigt ist. Wer „aufhört und jammert“, der jammert zwar bisher, aber der entscheidende Punkt ist, das er damit nun aufhören soll. Und wer „ist und arbeitet“, der ist zwar bei der Arbeit, aber zusätzlich wird ausgesagt, dass er dabei an einem anderen Ort ist.

Interessanterweise verhalten sich diese Verbverbindungen auf den zweiten Blick eher wie ein einziges Verb. Zum Beispiel kann man nur das erste der beiden Verben verneinen. Wenn man also nicht zum Lernen woanders ist, dann heißt es jag är inte och jobbar (ich bin nicht und arbeite). Und genauso kann man nicht das Subjekt wiederholen wie bei normalen Verbverbindungen: Ob man sagt jag äter och jag dricker (ich esse und ich trinke) oder nur jag äter och dricker (ich esse und trinke), ändert nichts an dem Ereignis, über das man spricht. Dagegen klingt jag är och jag jobbar (ich bin und ich arbeite) nach der existentiellen Aussage von jemandem, der dringend Urlaub braucht.