Tag 18: Alles relativ

Wie klingen diese deutschen Sätze?

  1. Der Mann, wo den Dackel gekauft hat, hat schon zwei andere Hunde.
  2. Die Frau, die ihre Maus verkaufen will, hat eine Katze.
  3. Der Wellensittich, die Frau vorher hatte, ist inzwischen tot.
  4. Die Tiere, wo ich von gesprochen hatte, waren alle nur erfunden.

Alle diese Beispiele enthalten Relativsätze, die zusätzliche Information zu einem Substantiv liefern: Es geht nicht um irgendeinen Mann, sondern genau um den, der den Dackel gekauft hat; nicht irgendein Wellensittich ist tot, sondern der, der vorher der Frau gehörte; nicht alle Tiere sind erfunden, sondern nur die aus den Sätzen davor.

Auch in älterem Deutsch gibt es Möglichkeiten für Relativästze, von denen modernes Standarddeutsch nur träumen kann.

In der deutschen Standardsprache ist nur Satz 2 möglich. In dieser Variante wird der Relativsatz mit einem Pronomen gebildet, also einem Wort, das sich in der Form an das Bezugswort anpasst. Es heißt die Frau, die – aber der Mann, der und das Kind, das. Solche Pronomina gibt es in den skandinavischen Sprachen auch, aber nur zum Teil, und wo es sie gibt, sind sie eher förmlich und schriftlich; in der Umgangssprache kommen sie nicht vor. Ein schwedisches Beispiel wäre: Detta framgår av översiktsplanen vilken antogs av kommunfullmäktige (dies geht aus dem Übersichtsplan hervor, der von der Kommunalvertretung angenommen wurde). Hier hat das Pronomen die Form vilken, die als Utrum und Singular zu erkennen ist und damit zum Bezugswort översiktsplanen passt. Wäre dagegen von mehreren Plänen die Rede, hieße es översiktsplanerna vilka (die Übersichtspläne, die), also im Plural.

Satz 1 klingt für viele Deutschsprachige unmöglich, kommt aber in manchen Regionen in der Umgangssprache vor. Hier beginnt der Relativsatz mit einer Subjunktion, also einem unveränderlichen Wort, das keine anderen Informationen enthält als: Hier beginnt der Relativsatz. Diese Variante ist in den skandinavischen Sprachen mit Abstand die häufigste. Im Dänischen, Norwegischen und Schwedischen heißt die entsprechende Subjunktion som, im Isländischen sem oder er, im Färöischen sum oder .

Im Dänischen gibt es außerdem die Form der, die nur verwendet werden kann, wenn der Relativsatz kein eigenes Subjekt hat, das Bezugswort aber als Subjekt ergänzt werden könnte: manden der/som bor der (der Mann, der dort wohnt; der Mann ist als Subjekt gedacht), aber nur manden som vi mødte i går (der Mann, den wir gestern getroffen haben; Subjekt im Relativsatz ist vi).

Satz 3 ist wohl im Deutschen nicht möglich, im Skandinavischen ist Entsprechendes dagegen gängig: Dabei wird der Relativsatz ganz ohne Markierung durch ein eigenes Wort gebildet. Das geht aber nicht, wenn das Bezugswort im Relativsatz als Subjekt ergänzt werden könnte: Mannen ___ vi møtte (der Mann, [den] wir getroffen haben) funktioniert auf Norwegisch, mannen ___ bor der (der Mann, [der] dort wohnt) funktioniert nicht.

Die Variante in Satz 4 ist auf Deutsch in manchen Regionen umgangssprachlich akzeptabel. Die Besonderheit liegt hier darin, dass eine Präposition von ihrem Bezugswort getrennt weiter hinten im Satz steht (wo ich von gesprochen hatte statt von denen ich gesprochen hatte). Im Skandinavischen ist das der Normalfall, zum Beispiel in der Übersetzung des Satzes: Djuren som jag hade pratat om var bara påhittade.

Für Lerner:innen kann es also von Vorteil sein, wenn man nicht nur die „korrekte“ Standardsprache als Ausgangspunkt nimmt, sondern auch regionale Varianten, wo man ein Gefühl für hat.