Tag 14: Mama oder Mord?

Heute geht es noch einmal um eine lautliche Auffälligkeit in den skandinavischen Sprachen, nämlich den sogenannten Stoßton (stød) im Dänischen. Für deutschsprachige Lerner:innen ist er oft kaum zu hören, noch schwerer zu produzieren – und fast unmöglich zu wissen, in welchen Wörter und Formen er wo hingehört, zum Beispiel in hus (Haus), aber nicht in huse (Häuser).

Wirklich kompliziert ist vor allem der letzte Punkt, und wir lassen ihn heute dann auch einfach außen vor. Aber darüber, was der Stoßton ist und wie er erzeugt wird, kann man einiges sagen. Dazu müssen wir uns mit einem außerordentlich wichtigen Sprechorgan beschäftigen, den sogenannten Stimmlippen.

Stoßton schematisch: regelmäßig schwingende Stimmlippen, unterbrochen von Unregelmäßigkeit.

Die Stimmlippen – von denen es zwei gibt, die einander gegenüberliegen – liegen im Kehlkopf und bestehen vor allem aus Muskeln und Bändern. Alle Atemluft strömt zwischen den beiden Stimmlippen hindurch. Ihre Funktion beim Sprechen liegt darin, dass sie mit Hilfe weiterer Muskeln und Knorpel in unterschiedliche Stellungen gebracht werden können. Das spielt vor allem eine Rolle bei der Erzeugung von Stimmklang: Dabei bringen wir die Stimmlippen in eine Position, in der sie beim Ausatmen automatisch anfangen zu flattern, ähnlich wie eine Flagge im Wind. Je nachdem, wie schnell diese Schwingungen sind, hören wir verschiedene Tonhöhen. Wenn jemand zum Beispiel einen Ton mit einer Höhe von 300 Hz (Hertz) erzeugt, schwingen die Stimmlippen 300-mal pro Sekunde. Das geschieht bei allen stimmhaften Lauten, also zum Beispiel a, m oder w, aber nicht bei stimmlosen, zum Beispiel f, k oder p. Voraussetzung ist, dass die Schwingungen der Stimmlippen regelmäßig sind – sonst kann unser Ohr keine Tonhöhe identifizieren, und wir hören stattdessen ein Knattern oder Knarren.

König Frederik mit seiner Mutter (mor, gesprochen mor, also ohne Stoßton).
Kein Mord (mord, gesprochen moˀr, also mit Stoßton).

Genau diese sogenannte Knarrstimme ist aber das Geheimnis des Stoßtons. Der Stoßton kann während der Bildung von Lauten erzeugt werden, die eigentlich stimmhaft sind, und zwar indem die Stellung der Stimmlippen so verändert wird, dass die Schwingungen für einen kurzen Zeitraum unregelmäßig werden. Wir hören dann normalen Stimmklang, unterbrochen durch eine Phase mit Knarrstimme. Das passiert zum Beispiel während des u in hus oder während des n in mand. Oft gibt man den Stoßton, zum Beispiel in Wörterbüchern, mit dem Zeichen ˀ nach dem betroffenen Laut an.

Bei besonders deutlichem Sprechen kann noch dazukommen, dass die Stimmlippen den Weg der Luft kurz ganz versperren. Dann entsteht während des Stoßtons ein kurzer Glottalverschluss (wie im deutschen Wort O_ase).

Das Gute: Der Stoßton ist kommunikativ nicht wichtig. In manchen Gegenden Dänemarks ist der Stoßton weniger üblich als in anderen (manche Dialekte haben ihn gar nicht), und man wird auch gut verstanden werden, ohne ihn zu beherrschen. (Anders als zum Beispiel beim weichen d.)

(Alles über dänische Phonetik für Deutschsprachige findet man auch auf udtale.de, darunter auch einiges zum Stoßton – einschließlich Tonbeispiele.)