Tag 11: Wer hat, der hat

Wem etwas gehört – oder zu wem etwas gehört –, wird im Deutschen typischerweise mit dem Genitiv ausgedrückt, vor allem in der Umgangssprache auch mit der Präposition von: Friederikes Hund, die Überzeugung des Gewerkschaftsvorsitzenden, das Fahrrad von Lars. Andere Sprachen haben hier aber manchmal auch (oder nur) ganz andere Möglichkeiten. In den skandinavischen Sprachen gibt es eine ziemliche Fülle von Konstruktionen, mit denen man Besitz oder Zugehörigkeit ausdrücken kann. Um zwei davon geht es heute.

Zum Beispiel in Lehrbüchern oder Grammatiken ist auch in den skandinavischen Sprachen häufig vom Genitiv die Rede. Damit sind aber ganz verschiedene Dinge gemeint. Auf der einen Seite gibt es im Isländischen einen Genitiv, der im Prinzip genau so funktioniert wie auf Deutsch: Der Genitiv ist hier einer von vier echten Kasus, das heißt, jedes Substantiv, jedes Adjektiv, jedes Pronomen, jeder Artikel verfügt über eine eigene Genitivform, die auch wie im Deutschen dazu genutzt werden kann, Besitz oder Zugehörigkeit zu markieren: Die Isländische Universität heißt zum Beispiel Háskóli Íslands, und Íslands ist der Genitiv von Ísland, so wie der entsprechende Dativ Íslandi heißt (Nominativ und Akkusativ heißen Ísland). Ebenso wäre der Genitiv von maður ([ein] Mann) manns ([eines] Mannes), in der bestimmten Form mannsins (des Mannes), im Plural manna (von Männern) bzw. mannanna (der Männer). In längeren Phrasen, die einen Besitzer ausdrücken, werden dann auch wie im Deutschen alle Bestandteile, soweit möglich, in den Genitiv gesetzt: Hús þessa gamla manns ist das ‚Haus dieses alten Mannes‘ – aber ‚dieser alte Mann‘ im Nominativ heißt þessi gamli maður.

Der Affe ist manden med den gule hats bester Freund.

Das Dänische, das Norwegische und das Schwedische haben dagegen (fast) keinen Kasus. Hier funktioniert der oft sogenannte ‚Genitiv‘ also ganz anders: Man hängt normalerweise ein -s an die ganze Phrase, die den Besitzer ausdrückt. Sonst verändert sich nichts. ‚Der alte Mann‘ heißt zum Beispiel auf Dänisch den gamle mand, und sein Haus heißt dann eben: den gamle mands hus. Genauso auf Norwegisch: Alle disse barna sind ‚alle diese Kinder‘, und ‚aller dieser Kinder‘ heißt alle disse barnas. Und auf Schwedisch: Hela hans stora familj heißt ’seine ganze große Familie‘, und entsprechend im ‚Genitiv‘: hela hans stora familjs.

Dasselbe Muster funktioniert auch für Phrasen, in denen das -s an ganz andere Wörter gehängt wird, die quasi zufällig am Ende der Besitzerphrase stehen: kungen av Sveriges bilar sind ‚die Autos des Königs von Schweden‘ (und nicht ‚der König von Schwedens Autos‘), Jenny och Martins katt heißt ‚Jennys und Martins Katze‘ (zwei Besitzer, ein -s), tjuven med nyckelns fötter heißt ‚die Füße Diebes mit dem Schlüssel‘ (und es ist nicht der Schlüssel, der Füße hat), kollegan som jag träffade igårs nummer ist ‚die Nummer des Kollegen, den ich gestern getroffen habe‘. Eine sehr vielseitige Konstruktion – aber kein Kasus.