Vokale werden normalerweise dadurch gebildet, dass die Zunge und die Lippen eine bestimmte Position einnehmen und einen kurzen Moment lang halten. Zungenrücken hinten oben am Gaumen und dabei runde Lippen: Das ist ein u. Zunge fast ganz flach im Mund: ein a. Zunge gebogen, mit dem höchsten Punkt etwa auf halber Höhe unterhalb des Gaumens, Lippen dabei nicht rund: ein e.
Es gibt aber auch Vokale, bei denen Zunge und Lippen ihre Position nicht halten, sondern aus einer Stellung in eine andere gleiten: die Diphthonge, also zum Beispiel au oder ea. Im Deutschen gibt es davon einige – in den skandinavischen Sprachen gibt es deutlich mehr, allerdings nicht in allen Sprachen gleich viele oder gar dieselben.
Wenn man von Namen und Lehnwörtern aus anderen Sprachen absieht, dann hat das Schwedische als einzige skandinavische Sprache gar keine Diphthonge. Am nächsten kommen ihnen noch Kombinationen aus Vokal und j wie in hej (hallo) oder nöjd (zufrieden), die aber auch (und gerade bei deutlicher Aussprache) wirklich mit einem j (einem Frikativ) gesprochen werden.
Das Norwegische hat dagegen einige Diphthonge, die man normalerweise als au, ei und øy schreibt (je nach Dialekt ungefähr gesprochen als äü, äi und öü). Beispiele dafür sind die Wörter sau (Schaf), stein (Stein) und høy (hoch).
Aus dänischer Perspektive ist das geradezu rührend wenig. Man sieht es der Schriftsprache zwar oft nicht an, aber das Dänische ist außerordentlich reich an Diphthongen, die alle aus Verbindungen von Vokalen und bestimmten Konsonanten entstanden sind – und auch noch so geschrieben werden. Um den Überblick nicht zu verlieren, kann man die Diphthonge nach der Endposition von Zunge und Lippen einteilen, und zwar in
- Diphthonge auf -i wie in hegn (ungefähr hain, Zaun) oder løgn (loin, Lüge)
- Diphthonge auf -u wie in savne (ßaune, vermissen), peber (pe·u·er, Pfeffer), liv (liu, Leben), støvle (stöule, Stiefel) oder tyv (tüu, Dieb) – und viele mehr
- Diphthonge auf -a, die aus Verbindungen aus Vokalen und r entstanden sind; die gibt es im Deutschen auch (siehe dazu Tag 8).
Außerdem kennt das Dänische noch Verbindungen aus drei Positionen, sogenannte Triphthonge, entstanden aus Diphthongen und r: færge (fäaue, Fähre), hvirvle (wiaule, wirbeln), spurv (spuau, Spatz).
Auch auf den atlantischen Inseln gibt es zahlreiche Diphthonge, und auch die verstecken sich zum Teil in der Schrift. Das sind im Isländischen zum Beispiel das æ wie in ætla (ungefähr aitla, vorhaben), das á wie in já (jau, ja), das ó wie in kjóll (kjoutl, Kleid) und das au wie in rauður (röüður, mit stimmhaftem th, rot). Und das Färöische hat unter anderem a wie in maður (ungefähr meawur, Mann), á wie in bátur (boatur, Boot) und í wie in hvítur (kwuitur, weiß).
Tipp: Wer lieber Beispiele hören statt über sie lesen möchte: Aussprachebeispiele in vielen Sprachen der Welt findet man auf Forvo. Die Aussprache der meisten dänischen und schwedischen Wörter ist auch in den Onlinestandardwörterbüchern mit Hörbeispielen angegeben (Den Danske Ordbog und Svensk ordbok). Zu den dänischen Vokalen findet sich sehr Übersichtliches auf udtale.de.