Namen für biologische Arten sind oft schwer zu durchschauen und manchmal auch lustig, in einer Erstsprache genauso wie in Sprachen, die man später lernt. Was ist eine Lerche und was eine Lärche? Warum sind Seegurken keine Gurken und Seekühe keine Kühe? Ist Stinkwurz ein gemeiner Name für Baldrian? Ist das Gemeine Fettkraut ein böses Gewächs? (Es frisst zumindest Fliegen.)
Wenn man Dialekte und eng verwandte Sprachen vergleicht, fällt auf, dass Ähnliches oft ganz unterschiedlich genannt wird. Pilze sind auf Niederdeutsch Poggenstöhl (Froschstühle) und auf Niederländisch paddestoelen (Krötenstühle). Blaubeeren könen auf Deutsch auch Heidelbeeren, Schwarzbeeren und Bickbeeren heißen.
In Skandinavien spielen gerade einheimische Früchte und Beeren eine große Rolle in der einheimischen Küche, und es ist (auch für Urlauber:innen) hilfreich, sich ein bisschen mit ihren Namen auszukennen. Leider nützt da die enge Verwandtschaft der skandinavischen Sprachen untereinander und mit dem Deutschen nicht immer sehr viel. In den folgenden Beispielen sind die auffälligsten Gemeinsamkeiten markiert:
Bei aller Variation sind viele Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen zu erkennen, auch da, wo die Wörter stark vom Deutschen abweichen:
Deutsch | Dänisch | Färöisch | Isländisch | Norwegisch | Schwedisch |
Apfel | æble | súrepli (Sauerapfel) | epli | eple | äpple |
Birne | pære | pera | pera | pære | päron |
Pflaume | blomme | blomma | plóma | plomme | plommon |
Kirsche | kirsebær (Kirschbeere) | kirsiber (Kirschbeere) | kirsuber (Kirschbeere) | kirsebær (Kirschbeere) | körsbär (Kirschbeere) |
Erdbeere | jordbær (Erdbeere) | jarðber (Erdbeere) | jarðarber (Erdbeere) | jordbær (Erdbeere) | jordgubbe (Erdknubbel) |
Blaubeere | blåbær (Blaubeere) | bláber (Blaubeere) | bláber (Blaubeere) | blåbær (Blaubeere) | blåbär (Blaubeere) |
Walderdbeere | skovjordbær (Walderdbeere) | skógarjarðber (Walderdbeere) | villijarðarber (Wilderdbeere) | markjordbær (Wildniserdbeere) | smultron |
Himbeere | hindbær | hindber | hindber | bringebær (Knubbelbeere) | hallon |
Brombeere | brombær (Brombeere) | bromber (Brombeere) | brómber (Brombeere) | bjørnebær (Bärenbeere) | björnbär (Bärenbeere) |
Moosbeere | tranebær (Kranichbeere) | tranaber (Kranichbeere) | trönuber (Kranichbeere) | tranebær (Kranichbeere) | tranbär (Kranichbeere) |
Moltebeere | multebær | moltuber | múltuber | moltebær | hjortron |
Preiselbeere | tyttebær (Knubbelbeere) | vínbláber (Weinblaubeere) | rauðber (Rotbeere) | tyttebær (Knubbelbeere) | lingon |
Ein paar Erläuterungen:
- Der Apfel heißt heute auf Färöisch súrepli (Sauerapfel), weil das einfache epli Kartoffel bedeutet. (Äpfel sind auf den Färöern eher exotisches Obst, Kartoffeln weitaus üblicher.) Die französischen pommes lassen grüßen.
- Kirschen sind im Skandinavischen auch Beeren.
- Die Bestandteile bringe-, tytte- und -gubbe gehen etymologisch auf Wörter für Dornen und kleine Rundungen zurück.
Auffällig ist aber vor allem: Das Schwedische tanzt oft aus der Reihe. Nicht nur heißen die Früchte oft ganz anders (in hallon steckt ein Wort für Klippe, in smultron eines für weich, in hjortron das für Hirsch, in lingon eines für Heide). Sondern es haben auch viele der Obst- und Beerennamen die Endung -on, die auch noch in weiteren Bezeichnungen vorkommt, z. B. fikon (Feige) oder nypon (Hagebutte) – und überraschenderweise auch in ostron (Auster), auch wenn das nur eine Meeresfrucht ist, also ein Tier.
Ein Fruchtsuffix also. Aber dieses Suffix ist nicht, wie man denken könnte, mit der Zeit aus einem alten Wort für Frucht entstanden, sondern hat sich wohl aus einer alten Pluralendung entwickelt. Heute sind die Obst- und Beerennamen auf -on alle Neutra und bilden ihre Formen so wie päron (Birne):
Singular | Plural | |
indefinit | (ett) päron | (flera) päron |
definit | päronet | päronen |
Als Pluralsuffix findet sich -on aber auch heute noch im Schwedischen, nämlich bei den Wörtern öga (Auge) und öra (Ohr):
Singular | Plural | Singular | Plural | |
indefinit | (ett) öga | (flera) ögon | (ett) öra | (flera) öron |
definit | ögat | ögonen | örat | öronen |
Genau so, nämlich als Pluralform, wird zum Beispiel nypon (bzw. dessen ältere Form hiupon) noch im Altschwedischen gebraucht, und in älteren schwedischen Dialekten findet man viele Obst- und Beerennamen nur im Plural. Dass aus Pluralformen Singularformen geworden sind, kann also einfach daran liegen, dass man wesentlich häufiger über mehrere Früchte (erst recht Beeren) spricht als über einzelne. Ein ähnliches Schicksal haben dann auch Nüsse: Das schwedische nöt ist zwar Singular (der Plural heißt nötter), aber das ö in diesem Wort kommt ursprünglich aus der Pluralform, die wie auch im Deutschen mit Umlaut gebildet wurde. Eine Nüss, sozusagen.