Der Advent ist auch eine musikalische Angelegenheit. Zu den schönsten Liedern der skandinavischen Weihnachtszeit gehört der ursprünglich dänische Psalm Dejlig er jorden. Dänisch, weil der bekannte Text 1850 von dem dänischen Dichter B. S. Ingemann geschrieben worden ist. Skandinavisch, weil man ihn auch in Norwegen (auf Bokmål Deilig er jorden) und Schweden (Härlig är jorden) singt.
Der Psalm ist aber auch in mancherlei Hinsicht deutsch: Zum einen stammt die Melodie aus dem deutschen Sprachraum. Zum anderen kommt der Text nicht ohne das eine oder andere niederdeutsche Lehnwort aus.
Das – von anderen Skandinaviern oft als stereotyp dänisch empfundene – Wort dejlig (schön) stammt vom Mittelniederdeutschen dēgelik, ein Wort, das es heute nicht mehr gibt. Ein verwandtes Wort im heutigen Niederdeutschen ist diegen (gedeihen), und man kann sich den Ursprung der Bedeutung des dänischen dejlig gut als „gedeihlich“ vorstellen. Dasselbe Wort gibt es auch im Färöischen (deiligur), im Norwegischen (deilig) und, etwas veraltet, im Schwedischen (dejlig).
Im Schwedischen heißt es im Liedtext statt dejlig allerdings härlig – aber auch damit entkommt man dem Niederdeutschen nicht, denn auch härlig (ebenso wie herlig auf Dänisch und Bokmål sowie herleg auf Nynorsk) ist ein niederdeutsches Lehnwort (mnd. hērlik, heute wie auf Hochdeutsch herrlich). Und in den folgenden Zeilen geht es ohnehin so weiter. Lehnwörter aus dem Niederdeutschen sind auch dänisches prægtig (norw. prektig, schw. präktig; mnd. prachtich, heute wie auf Hochdeutsch prächtig) und das unschuldig erscheinende skøn (norw. skjønn, schw. skön; mnd. schone, heute schöön), und sogar beim himmel selbst hat das Niederdeutsche wohl seine Finger im Spiel gehabt, denn zumindest das -l in diesem Wort ist übernommen (mnd. hemmel, heute Himmel, soweit man nicht Heven sagt, was etymologisch denselben Ursprung hat wie das englische heaven).