Städte sind der Hauptgrund dafür, dass so viel Niederdeutsches in die skandinavischen Sprachen übernommen worden ist. Städte sind Siedlungen und Handelsplätze zugleich, und die Entstehung der skandinavischen Städte im Mittelalter hat vor allem etwas mit dem hansischen Handel zu tun. Hier lagen Häfen, hier verdienten Kaufleute gutes Geld, hier wohnten Deutsche: so viele, dass man gesetzliche Regelungen einführte, um ihren Einfluss in Grenzen zu halten.
Berühmt geworden ist die hier abgebildete Bestimmung aus dem Stadtrecht des schwedischen Königs Magnus Eriksson (Magnus Erikssons stadslag), die Mitte des 14. Jahrhunderts festlegte: Es soll insgesamt sechs Bürgermeister geben, drei schwedische und drei deutsche, und zwei sollen jedes Jahr amtieren; Ratsherren soll es insgesamt dreißig geben, je zur Hälfte aus beiden Gruppen.
Kein Wunder, dass viele Wörter für die Verwaltung der Städte aus dem Niederdeutschen stammen. Manche werden heute allerdings nur noch genutzt, wenn es um historische oder ausländische Gegebenheiten geht. Das mittelniederdeutsche stat (heute im Niederdeutschen Stadt) finden wir im Dänischen, Norwegischen und Schwedischen als stad. Auf Schwedisch ist dies bis heute das normale Wort; im Dänischen und Norwegischen hat das alte Wort für Dorf (by) diese Bedeutung angenommen, und stad heißt es nur noch ausnahmsweise, zum Beispiel in hovedstad (Dänisch und Bokmål) oder hovudstad (Nynorsk) für Hauptstadt.
Der „Regierungschef“ einer dänischen Stadt heißt immer noch borgmester (von mittelniederdeutsch borgermēster, heute Börgermeester), und in manchen finnischen Städten gibt es einen borgmästare, aber färöisches borgmeistari und norwegisches borgermester/borgermeister sind heute keine skandinavischen Amtsbezeichnungen mehr.
Dagegen hat die Stadtverwaltung immer noch ihren Sitz in dem, was auf Mittelniederdeutsch rāthūs genannt wurde, nämlich im (dänischen/norwegischen/schwedischen) rådhus bzw. (färöischen/isländischen) ráðhús. Dieses Wort hat es auch in nicht-skandinavische Sprachen des Nordens geschafft, etwa ins Finnische (raatihuone), ins Nordsamische (ráđđeviessu; der zweite Wortbestandteil ist in beiden Wörtern nicht niederdeutschen Ursprungs) und ins Grönländische (rådhusi).