Englischsprachige beschweren sich manchmal über das Deutsche, weil die Zahlen so unordentlich seien: Wenn man 23 (zwei-drei) schreibt, warum sagt man dann dreiundzwanzig und nicht wie auf Englisch zwanzig-drei (twenty-three)? Deren Probleme müsste man haben.
Aber erstmal das Einfache vorweg: Für deutschsprachige Lerner:innen ist die Reihenfolge von Zehnern und Einern in den skandinavischen Sprachen völlig unproblematisch. Entweder funktioniert es nämlich wie auf Englisch, also in der Reihenfolge der geschriebenen Ziffern, nämlich im Isländischen (tuttugu og þrír), Schwedischen (tjugotre) und Norwegischen (tjuetre) – oder es funktioniert wie auf Deutsch, nämlich im Dänischen (treogtyve), Färöischen (trý og tjúgu) oder Norwegischen (treogtyve) – im Norwegischen die ‚englische‘ Zählweise ist neuer, die ‚deutsche‘ ist aber auch noch in Gebrauch.
Und das Problem? Das Problem sind die Zehnerzahlen. In den meisten skandinavischen Sprachen steckt hinter den Wörtern für die Zehner wie auch im Deutschen eine einfache Multiplikation: Vierzig ist 4×10 (vier bedeutet 4, -zig bedeutet ×10), fünfzig ist 5×10, neunzig ist 9×10. Manchmal weichen die Grundzahl oder die Endung ein bisschen von diesem Prinzip ab, aber die Wortbildung bleibt erkennbar: So heißt es dreißig (nicht dreizig), sechzig (nicht sechszig) und siebzig (nicht siebenzig). Dasselbe gilt zum Beispiel im Schwedischen: femtio ist 5×10 (fem ist 5, -tio ist ×10), sextio ist 60 (sex ist 6). Etwas schlechter zu erkennen sind vielleicht trettio (30: tre ist 3) und åttio (80: åtta ist 8); und na gut: tjugo (20) muss man wissen.
Aber das Dänische macht da nicht mit, sondern hat ein wirklich kompliziertes System:
- Für die Zehner von 20 bis 40 gibt es Wörter, die den Faktor 10 zumindest erahnen lassen, auch wenn sie nicht besonders regelmäßig gebildet werden: 20 ist tyve (2 ist to), 30 ist tredive (3 ist tre), 40 ist fyrre (4 ist fire).
- Für 60 und 80 wird nicht mit dem Faktor 10, sondern mit 20 multipliziert – und die Endung für ×20 ist -s. Die Zahl 60 heißt also tres, und 80 ist firs.
- 50, 70 und 90 sind nicht durch 20 teilbar. Dieses Problem löst das Dänische, indem es die Zahlen 2½, 3½ und 4½ mit 20 multipliziert.
Jetzt könnte man denken, dass 50 dann wohl übersetzt 2½×20 heißt – aber das stimmt nur beinahe, denn 2½ wird als ‚halb dritte‘ ausgedrückt. Die Logik ist: zwei ganz und dann das Dritte halb (nur dass die zwei Ganzen nirgendwo mehr genannt werden). Die Zahl 50 heißt dann also halvtreds (halb-dritte×20), 70 ist halvfjerds (halb-vierte×20), und 90 ist halvfems (halb-fünfte×20). Nach demselben Prinzip ist im Deutschen das Wort anderthalb (für 1½) entstanden, das ursprünglich bedeutet: das eine ganz, das andere halb.
Natürlich rechnen Dänischsprecher:innen das nicht beim Reden aus. Sie können die Zehner einfach auswendig. Nur für Lerner:innen und für andere Skandinavier:innen ist das dänische System eine echte Zumutung.
Übrigens findet sich das dänische System auch im Färöischen (50: hálvtrýss, 60: trýss, 70: hálvfjers, 80: fýrs, 90: hálvfems) und sogar im Grönländischen, das die höheren Zahlen direkt aus dem Dänischen übernommen hat.